Dienstag, 3. April 2012

"Wir zwei allein" Matthias Nawrat, Rezension

"Wir zwei allein" von Matthias Nawrat ist ein sehr schön gestaltetes Hardcover-Büchlein aus dem Hause Nagel & Kimche.
Ich war sehr gespannt über den Inhalt, da der Roman in Freiburg/Breisgau spielt. Meiner Heimat, aus der ich mit 17 Jahren magersüchtig, schwer depressiv und angeschlagen flüchtete.
Und tatsächlich, ich hätte es nicht für möglich gehalten, dieses kleine, niedliche Buch hat mit einem Schlag sämtliche Wut auf die verschrobene Gesellschaft und ihre Trödeligkeit zurückgebracht.
Eine Liebesgeschichte in diese wunderschöne Landschaft zu packen mit den dort lebenden, verstockten, konservativen und extrem introvertierten Leuten, das ist schon ein besonderes Erlebnis per se.
Ich hatte ja ein klein wenig Hoffnung, dass nach den immerhin 30 Jahren, die seit meiner Flucht vergangen sind, sich vielleicht ein bischen was geändert haben könnte, aber Nein, dazu wird es wohl Jahrhunderte dauern.
Menschen, die existieren, die täglich der Arbeit nachgehen, die nur zum eigenen Gartenzaun schauen, dabei ständig von der grossen Welt träumen, aber den Weg nicht von hier nach da schaffen, die auch untereinander kein klares Gespräch zustandebringen, keine Entscheidungen treffen wollen, sondern sich nur alles "passend träumen", die reagieren, aber nicht agieren, die so ohne jegliches Rückgrat alles hinnehmen und nicht fähig sind, aus ihrer Lethargie mal aufzuwachen!
Dabei diverse pschische Krankheitsbilder aufbauen, angefangen von einer manisch-depressiven Erkrankung zu bunt-gemischten schizoiden Ausläufen, gerne nach Jahren betitelt als "Borderline", nichts anderes als komplette Unfähigkeit eine sozial-kompetente
Umgangsform untereinander zu erarbeiten, beispielsweise "wie zeige ich einer Person, dass ich sie liebe".
Ich vermute ja schon lange, dass diese belämmerten Soaps im nachmittäglichen deutschen Fernsehen, nur für die Schwarzwälder erfunden wurden!
Wie räume ich mein Zimmer auf? Wie zahle ich meine Rechnungen? Wie sieht eine Wohnung gewöhnlich von innen aus? Wie rede ich mit Freunden? Was ziehe ich an? Wie läuft eine Kommunikation zwischen verschieden-geschlechtlichen Leuten? Wo gehe ich hin? Was unternehme ich abends?
Seufz.
Gut, ich wurde auch mal von einem Mann in die Sauna eingeladen. er war seit etwa 5 Jahren verliebt, hat sich nicht getraut, mir das zu sagen/zeigen, war mit Mitte 60 noch Jungfrau und kam dann mit dieser Einladung.
Himmel, die Unfähigkeit den Mund zum Sprechen zu nutzen greift um sich!
Jedenfalls freuen sich Berline Psychologen ungemein! Was meinte mal einer, händereibend, zu mir? "Die verkorkstesten Leute kommen aus dem Schwarzwald! Da hat man ordentlich Jahre zu tun!"
Sehr schön!
Au Mann, ich wollte eigentlich eine Rezi schreiben, aber nach dem Lesen bin ich so voller Wut. Wenn die wenigstens endlich aussterben würden "da unten", aber es ziehen ja immer neue Leute zu, die in kürzester Zeit genauso verschroben werden!
So, also das Buch ist eine Vollbremsung im Bücherschrank! Keine grossen Aktionen, zumindest nicht ausserhalb der Gehirnwindungen.
Ein Mann, Studienabbrecher, was sonst wird man in Freibug?, jobbt einen Job als Fahrer von Gemüse. Ehrgeiz, dieses Wort existiert dort nicht, hat er nicht, auch keine Ziele, nur einen Wunsch: Zusammensein mit Theres, einer unsteten Künstlerin, die auch nicht weiss, was sie will und auch unfähig ist, sich mal um pragmatische Dinge zu kümmern. Er hält am Traumbild seiner Theres fest, obwohl dieses Mädel ihm genügend Gelegenheiten gibt, zu erkennen, dass sie ganz bestimmt nicht die passende Partnerin ist.
Das Buch nimmt dramatische Wendungen (im Hirn der Protagonisten), deren Deutungen einen Psychologen höchst erfreuen würden, da bin ich mir sicher.
Nach Lesen des Buches verbleibt eine grosse Ratlosigkeit.
Was soll man den Protagonisten wünschen? Soll man überhaupt etwas wünschen? Oder besser sofort abwenden, das Buch verbrennen, damit die Geisteshaltung nicht entfleuchen und um sich greifen kann?
Meine Güte. Dabei kann der Autor wirklich gut schreiben, die Bilder, die er erzeugt, die trostlose, hilflose Stimmung, dieses Gefühl eingesperrt zu sein zwischen den Bergen, diese düstere Atmosphäre, diese Ausweglosigkeit und Perspektivenlosigkeit, die bringt er ganz fabelhaft rüber, aber man (ich) mag es in der heutigen Zeit nicht lesen.
Kein Hoffnungsfunke, es sei den man verbrennt oder stürzt zu Tode, oh Himmel, ist es nicht endlich an der Zeit, auch im Schwarzwald zu lüften?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bitte geben Sie hier Ihren Kommentar ein: