Sonntag, 7. Oktober 2012


 Wolfgang Herrndorf, tschick

Rezension vom 09.05.2012
Meine Bewertung: 3 Sterne von 5 möglichen



"Tschick" von Wolfgang Herrndorf ist ein sehr schön zu lesender Roman.
Ich hatte die Hardcover-Ausgabe, die mit Lesebändchen und schönem Schriftbild regelrecht zum Lesen einlud.
Das Buch ist aus der Sicht eines 14 jährigen Jungen geschrieben, Maik, dessen Eltern mit sich selbst beschäftigt sind und der in der Schule nicht wirklich zur Clique gehört. Dabei ist er nicht der einzige Aussenseiter, auch ein Russland-stämmiger Junge, Spitzname Tschick, aus dem Berliner Sumpf wird in keinster Weise aufgenommen.
Nun sind Sommerferien, die Mitschüler
treffen sich, die meisten fahren weg oder feiern Feten, Maik ist nirgends eingeladen, allein zu Hause und einsam.
Mehr oder weniger zufällig kommt Tschick vorbei.
Um es abzukürzen, Tschick knackt ein Auto (alter Trabbi) und Tschick und Maik beschliessen in die Walachei zu fahren, zum Opa von Tschick.
Da das Buch mit einem Unfall beginnt, ahnt der Leser, dass dieses Road-Movie nicht gut endet. Was passiert ist, das erfährt man nicht, das ist die Spannung des Buches - und ich muss es leider sagen: Es ist die einzige Spannung.
Der Rest der Geschichte ist weder spannend, noch mitreissend, noch zu Herzen gehend, noch lustig, es ist ein gleichförmiges Dahinplätschern der Erzählung.
Ich hab lange überlegt, woran es liegen mag, kein Tempo, keine Highlights, obwohl ja beide Jungen einiges erleben, aber es fehlte mir an Atmosphäre, an Tiefe, an Dichte.
Es plätschert wirklich so vor sich hin, ich hatte auch nicht wirklich das Gefühl, dass ich einen intelligenten oder unintelligenten 14 Jährigen vor mir habe, und denke, es liegt vielleicht daran, dass der Autor selbst nicht in seinen Figuren lebt.
Ein Autor, der in seine Protagonisten schlüpft, der deren Ängste spürt, der Schmerzen oder Gelächter selbst miterlebt, würde anders berichten. So ist es wie eine Schulaufsatz, eine Geschichte, die eben erzählt werden muss. Ich darf als Leser nicht teilhaben an den Gefühlen, an den Gedanken, an -und das wäre ja das Interessante gewesen- der Schwierigkeit in dem Alter von 14, an der Schwelle zum Erwachsenwerden, sich mit Liebe, mit Gefühlen, Sexualität, Launen, Freundschaft und Unsicherheiten auseinandersetzen zu müssen.
Das ist ja eben genau das, was ich erwarte, wenn ich lese, dass 2 Jungs im Teenageralter abhauen!
Oft habe ich mich gefragt, warum ich eigentlich das Buch lese - gut, weil es ein Leihbuch war, das zurückgegeben werden musste- aber es enthält keine Botschaft, keine Information, kein Knalleffekt. Keine Erkenntnis des Weise- oder Erwachsen-werdens!
Als es dann letztendlich zum Unfall kommt, ist das wie ein logisches Satzende. Auch da wird man nicht mitgerissen, gefühlsmässig nicht einbezogen.
Passiert und Punkt.
Das finde ich sehr schade, aber offensichtlich ist da die Grenze zwischen "Autor, der sehr schön schreibt" und "Autor, der es kann". Natürlich ist dieses Buch Bestseller in Deutschland, was für mich aber schon lange kein Qualitätskriterium ist, denn ein deutscher Autor wird werbemässig ganz anders geputscht als ein Autor besserer Fähigkeiten aus dem Ausland, so dass "deutscher Bestseller" eher stehen sollte für "hat eben viel Werbung bekommen".
Für mich ist das Buch leider eine Enttäuschung! Man kann es lesen, muss es aber nicht.

  • Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
  • Verlag: Rowohlt Berlin; Auflage: 17 (17. September 2010)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3871347108
  • ISBN-13: 978-3871347108
  • Größe und/oder Gewicht: 20,8 x 13,4 x 2,2 cm

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